6     Zielkonzepte für die einzelnen Schutzgüter

6.1     Zielkonzept Schutzgut Boden

6.1.1      Allgemeine Ziele/Leitlinien

B 1         Die Funktionen des Bodens als - Lebensgrundlage und Lebensraum für Menschen, Tiere, Pflanzen und Bodenorganismen,- Bestandteil des Naturhaushalts, insbesondere mit seinen Wasser- und Nährstoffkreisläufen,-Abbau-, Ausgleichs- und Aufbaumedium für stoffliche Einwirkungen auf Grund der Filter-, Puffer- und Stoffumwandlungseigenschaften,insbesondere auch zum Schutz des Grundwassers sowie -als Archiv der Natur- und Kulturgeschichte sind in der Region Oberfranken-Ost nachhaltig zu sichern und - soweit erforderlich - wiederherzustellen.

Der Boden spielt eine zentrale Rolle in den natürlichen Stoff- und Energiekreisläufen und übernimmt im Naturhaushalt vielfältige Funktionen, die wesentlichen Einfluss auf die Ausprägung von Ökosystemen haben. Die Überlagerung und Durchdringung von Atmosphäre, Lithosphäre, Hydrosphäre und Biosphäre führt im Boden zu vielfältigen und komplexen Wechselwirkungen zwischen den Umweltmedien sowie den im und auf dem Boden lebenden Organismen. Diese Wechselbeziehungen bewirken in teilweise sehr langen Zeiträumen die Ausbildung unterschiedlicher Böden mit vielfältigen Eigenschaften. Die Böden wirken wiederum, je nach Ausprägung ihrer Eigenschaften, auf die übrigen Umweltmedien und Organismen ein.

Da der Boden leicht zerstörbar und nicht vermehrbar ist, müssen wir sorgsam mit ihm umgehen. Als Lebensgrundlage und als Standortpotenzial zur Erhaltung und Wiederherstellung der biologischen Vielfalt sollen die Böden in natürlicher Vielfalt, Aufbau, Struktur, Stoffgehalt und Bodenwasserhaushalt gesichert und - soweit erforderlich - wiederhergestellt werden. Die zentrale Stellung des Bodens im Naturhaushalt und die vielfältigen direkten und indirekten Einwirkungen auf die Böden erfordern einen umfassenden, vorsorgenden Bodenschutz, damit die natürlichen Lebensgrundlagen auch für zukünftige Generationen erhalten werden. Hieraus resultieren die nachfolgend aufgeführten Einzelziele.

B 2         Bei allen raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen ist die Inanspruchnahme von Boden als Flächenressource zu minimieren. Ein sparsamer und schonender Umgang mit Grund und Boden soll in der Region Oberfranken-Ost durch ein geeignetes Flächenressourcen-Management realisiert werden.  Dieses soll einer optimierten Wiedernutzung baulicher Potenziale im Innenbereich, der Förderung des flächensparenden Bauens und der Entsiegelung im Bestand dienen. Überschüssiger Boden aus Baumaßnahmen soll in sinnvoller, dem Gemeinwohl dienender Weise verwertet werden. Mit besonderer Priorität soll ein Flächenressourcen-Management in den Stadt- und Umlandbereichen Bayreuth, Hof, Kulmbach sowie Marktredwitz/Wunsiedel umgesetzt werden.    

Der aktuelle Flächenverbrauch beträgt in Bayern zur Zeit 28,4 ha pro Tag (statistische Daten 1997 bis 2000), womit jährlich ca. 103 km² zu Siedlungs- und Verkehrsflächen umgewandelt werden. Dies entspricht in etwa der gesamten Siedlungs- und Verkehrsfläche der Stadt Nürnberg. Auch wenn diese Flächen zumeist nicht vollständig versiegelt sind, so ist i. d. R. doch von erheblichen Beeinträchtigungen der Bodenfunktionen auszugehen. Aus der Verantwortung für nachfolgende Generationen ist dieser Verbrauch der nicht vermehrbaren Ressource Boden durch Überbauung und Versiegelung zu begrenzen.

Derzeit (Stand 2001) liegt der Anteil der Siedlungs- und Verkehrsfläche in der Region Oberfranken-Ost mit 9,6 % (Bayern 9,8 %) unter dem bundesdeutschen Durchschnitt von 11,8 % (Stand 1997), was wesentlich zur hohen Lebens- und Freizeitqualität beiträgt. Ein effizientes Flächenressourcen-Management soll dazu beitragen, dass diese Qualitäten durch den schonenden und sparsamen Umgang mit Grund und Boden erhalten bleiben.

Wesentliche Eckpunkte sind dabei

  • die Wiedernutzbarmachung gewerblicher und militärischer Brachflächen,
  • Flächenrecycling bei Altlasten und schädlichen Bodenveränderungen,
  • die Nachverdichtung in Siedlungsgebieten,
  • die Förderung des flächensparenden Bauens und die Begrenzung der Versiegelung,
  • die Entsiegelung im Bestand,
  • die Berücksichtigung der Wertigkeit von Böden für die Erfüllung von Bodenfunktionen bei unvermeidbaren Flächeninanspruchnahmen im Außenbereich; vordringlich sind dabei Gebiete mit herausragender oder besonderer Bedeutung des Bodens als Standort für seltene Lebensgemeinschaften vor weiterem Flächenverbrauch zu bewahren sowie
  • eine sinnvolle, dem Gemeinwohl dienende Verwertung von überschüssigem Boden, z.B. für Lärmschutzwälle

Eine besondere Priorität hat die Umsetzung eines derartigen Flächenressourcen-Managements in den Stadt- und Umlandbereichen Bayreuth, Hof, Kulmbach sowie Marktredwitz/Wunsiedel, da hier die stärkste Siedlungsdynamik innerhalb der Region Oberfranken-Ost besteht.

B 3         Schadstoffeinträge in den Boden sollen sich an der Empfindlichkeit der natürlichen Bodenfunktionen orientieren. Sie sollen so begrenzt werden, dass die Bodenfunktionen nachhaltig gesichert sind und auch schleichenden Bodenveränderungen vorgebeugt wird. Zulässige Einträge sollen entweder unbedenklich sein oder im Rahmen gesellschaftlicher Konventionen zeitlich begrenzt werden. Die versauerungsgefährdeten bzw. bereits versauerten Böden sind durch geeignete Maßnahmen vor einer weiteren Versauerung nachhaltig zu schützen bzw. weitestmöglich zu regenerieren.    

Böden können in unterschiedlichem Maße Einwirkungen abpuffern (z.B. Akkumulation eingetragener Stoffe), so dass diese über längere Zeiträume zu keinen erkennbaren Auswirkungen führen. Nach Überschreitung dieser Pufferkapazität kann es aber zu kaum reversiblen Beeinträchtigungen der o. g. Bodenfunktionen und damit einhergehenden Problemverlagerungen auf andere Schutzgüter kommen (z.B. Verlagerung von Schadstoffen ins Grundwasser). Die Berücksichtigung der meist langfristig wirkenden Senken- und Quellenfunktion von Böden ist daher ein wichtiger Aspekt des vorsorgenden Bodenschutzes. Unter Beachtung der komplexen Beziehungen im Naturhaushalt trägt der vorsorgende Bodenschutz somit ebenfalls zum Schutz der übrigen Umweltmedien und der Ökosysteme bei. Als Mindeststandard zur Vorsorge vor schädlichen Bodenveränderungen sind die Vorsorgewerte der BBodSchV einzuhalten (vgl. auch BayBodSchVwV, Kap. 5).

Großflächige Beeinträchtigungen der Bodenfunktionen durch Stoffeinträge sind in der Region Oberfranken-Ost vor allem in den auf basenarmen Böden stockenden Wäldern des Frankenwaldes und des Fichtelgebirges zu beobachten. Als unerlässliche Voraussetzung für den dauerhaften Schutz der Waldböden, und damit auch der Wälder, sind weitere nationale und internationale Maßnahmen zur Luftreinhaltung erforderlich. Dabei muss nach den bei der SO2-Reduktion erzielten Erfolgen insbesondere die Verminderung der NOx-Emissionen im Vordergrund stehen. Da die Umsetzung emissionsmindernder Maßnahmen i. d. R. eher längere Zeiträume beansprucht, empfiehlt es sich, geeignete Maßnahmen zur Regulierung und Verbesserung der gestörten Nährstoffverhältnisse und Pufferfunktionen der Böden durchzuführen, damit kurzfristig nicht vermeidbare Säureeinträge kompensiert sowie bereits eingetretene Beeinträchtigungen der Böden vermindert werden. Angesichts der erhöhten Depositionsraten in Nadelwaldbeständen und der schlechten Zersetzbarkeit der Nadelstreu, welche eine im Vergleich zu Laubwäldern stärkere Versauerung des Oberbodens zur Folge hat, soll dabei dabei insbesondere in den Wäldern des Frankenwaldes und des Fichtelgebirges der Laubholzanteil deutlich erhöht werden. Zudem können als Übergangslösung zur Vermeidung bzw. Verminderung schwerwiegender Beeinträchtigungen der Waldökosysteme, der Böden und des Grundwassers je nach Bodenzustand gezielte Bodenschutzkalkungen erforderlich sein. Nachteilige Auswirkungen auf die Arten und Lebensgemeinschaften des Waldes sowie auf das Grundwasser sind dabei zu vermeiden.

B 4         Für die Altlastenverdachtsflächen der Region Oberfranken-Ost sollen eine Gefährdungsabschätzung vorgenommen und soweit erforderlich weitergehende Sanierungsuntersuchungen durchgeführt bzw. Sanierungspläne erarbeitet werden.

Altlastverdächtige Flächen sind Altablagerungen und Altstandorte, bei denen der Verdacht besteht, dass schädliche Bodenveränderungen vorliegen, von denen auf Grund von Art, Ausbreitung oder Menge der Schadstoffe in besonderem Maße Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit bzw. die Umwelt ausgehen. Als traditioneller Industrie- und Bergbaustandort weist die Region Oberfranken-Ost eine hohe Anzahl altlastenverdächtiger Flächen auf. Nach bundesweiten Erfahrungen in den Ländern gehen von ca. 10 bis 15 % dieser altlastverdächtigen Flächen Gefahren für die menschliche Gesundheit und die Umwelt aus, weshalb diese sanierungsbedürftig sind. Um den tasächlichen Sanierungsbedarf zu klären ist eine Gefährdungsabschätzung für die altlastverdächtigen Flächen erforderlich, welche in der Region Oberfranken-Ost bis spätestens 2020 abgeschlossen sein soll.

B 5         Der Abbau von Bodenschätzen soll in der Region Oberfranken-Ost flächensparend erfolgen. Besonders schutzwürdige Böden sollen nicht abgebaut werden. Im Zuge der Renaturierung oder Rekultivierung der Abbaustellen sind die ursprünglich vorhandenen Bodenfunktionen in annähernd gleicher Qualität wiederherzustellen, soweit die Ziele des Arten- und Biotopschutzes oder des Grundwasserschutzes dem nicht entgegenstehen. Bei Verfüllungen sind die Anforderungen des Eckpunktepapiers (Anforderungen an die Verfüllung von Gruben und Brüchen vom 21.06.2001) zu berücksichtigen. Nassabbaustellen sollen aus Gründen des Grundwasserschutzes i. d. R. nicht mehr verfüllt werden.

   

In der Region Oberfranken-Ost werden derzeit auf rund 600 ha oberflächennahe Bodenschätze abgebaut. Für 2.600 ha sind Vorrangflächen und für 18.860 ha Vorbehaltsflächen für die Roh­stoffgewinnung ausgewiesen. Der Rohstoffabbau greift massiv in die pedo- und hydrogeologischen sowie geländemorphologischen Verhältnisse ein und führt zu einer irreversiblen Zerstörung der gewachsenen Bodenprofile. Deshalb sollen Flächeninanspruchnahmen durch Abbautätigkeit so gering wie möglich gehalten werden. Zugleich zeigen die Erfahrungen mit älteren Abbaustellen aber auch, dass insbesondere die Rohbodenstandorte derartiger Gebiete nach Abbauende zumindest temporär eine besondere Bedeutung für den Arten- und Biotopschutz erlangen können. Vor dem Hintergrund des Artenspektrums der Umgebung (Besiedlungspotenziale) und der Erfordernisse des Biotopverbundes empfiehlt es sich daher frühzeitig überörtliche Zielkonzepte für die Folgenutzung von Abbaustellen und ggf. besonders zu fördernde Zielarten zu entwickeln. Dabei wird i. d. R. eine Abwägung zwischen den Erfordernissen des Bodenschutzes (Wiederaufbringung abgetragenen Oberbodens/Rekul­tivierung) und des Arten- und Biotopschutzes (Förderung von Rohbodenstandorten) erforderlich sein.


 

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