3.5.2      Bewertung

Aktuelle Lebensraumfunktion

Auf Grund der Auswertung der Biotopdaten unter Berücksichtigung von Waldfunktionsplänen, gemeldeten NATURA 2000-Gebietsvorschlägen, Naturschutzgebieten (mit Planungen) sowie ABSP-Daten und Plausibilitätskontrollen durch Gebietskenner (mit Beteiligung der Unteren und Höheren Naturschutzbehörden) wird die aktuelle Lebensraumqualität im Untersuchungsraum wie folgt beschrieben:

Eine überwiegend sehr geringe Lebensraumqualität liegt vor allem im Norden des Gebietes, großräumig in den weiten Ackerbereichen der Münchberger Hochfläche (vgl. ABSP HO, StMLU 1994), des Mittelvogtländischen Kuppenlandes, in der Selb-Wunsiedler Hochfläche und südöstlich von Bayreuth um die Gemeinde Speichersdorf und Prebitz vor. Es handelt sich um meist weiträumig ausgeräumte, intensiv genutzte Ackerflächen ohne nennenswerte Vorkommen von erfassenswürdigen Biotopen im Sinne der bayerischen Biotopkartierung (im Folgenden vereinfacht „Biotope“ genannt) oder von Lebensräumen, die durch das ABSP als bedeutsam eingestuft worden wären (gemäß der Nomenklatur der aktuellen ABSP-Bände im Folgenden mit „ABSP-Flächen“ bezeichnet). Kleinstrukturen als Lebensräume sind meist nur in Ansätzen vorhanden. In diesen Bereichen sind die meisten potenziellen Lebensraumkomplexe durch Infrastruktureinrichtungen oder intensive Landnutzung mehr oder weniger stark beeinträchtigt. Die häufigste Beeinträchtigung von Lebensraumkomplexen besteht in der Störung der ökologischen Beziehungen zwischen den einzelnen funktionalen Elementen.

Lebensräume mit überwiegend geringer Lebensraumqualität liegen ebenfalls um die Stadt Hof und der Selb-Wunsiedler Hochfläche, auf den intensiv genutzten Hochflächen der Nördlichen Frankenalb (z.B. nördlich von Wonsees), sowie im Südosten des Obermainischen Hügellandes. Die Nutzung dieser Flächen ist meist durch Ackerbau, teilweise auch Mischnutzung geprägt. Kleinstrukturen und Biotope treten vereinzelt auf. Von einer Vernetzung der Lebensräume kann nicht gesprochen werden.

Den größten Flächenanteil in der Region Oberfranken-Ost nehmen die Lebensräume mit mittlerer Lebensraumqualität ein. Sie treten großflächig im Fichtelgebirge, dem Selber Forst, dem Rehauer Forst, in Teilbereichen Frankenwaldes, in der Bruchschollenzone zwischen Bayreuth und Kulmbach sowie in der Frankenalb auf. Es handelt sich um Fichtenwald mit einer gewissen Biotopdichte, ausgedehnte Grünlandbereiche wie den Hummelgau oder die abwechslungsreich genutzten Niederungen um den Weißen und Roten Main oder die Hochflächen der Alb mit ihren kleinräumigen landwirtschaftlich genutzten Flächen.

Flächen mit einer überwiegend hohen aktuellen Lebensraumqualität werden durch eine hohe Biotopdichte bzw. vorhandene Naturschutzgebiete, spezielle Waldfunktionen oder eine hohe Einstufung gemäß ABSP charakterisiert.

Es sind vereinzelt Acker-, häufiger Mischnutzungs- oder Grünlandflächen mit einem hohen Anteil von Biotopstrukturen, die zudem ausreichend miteinander vernetzt sind. Zu den bedeutendsten Lebensraumkomplexen der Region zählen reichgegliederte Bereiche der Nördlichen Frankenalb mit ihrer hohen Dichte an Saumlebensräumen, Hecken, Kalkmagerasen und Felskuppen, die kleinräumig mit Höhlen, Dolinen und sekundären Feuchtstandorten entlang der Bäche (Aufseß, Püttlach, Pegnitz, Wiesent) verzahnt sind. Dies trifft besonders auf die Bereiche um Wonsees und nördlich von Obernsees, aber auch bei Waischenfeld, Oberailsfeld oder Pottenstein zu. Im Bereich des Kulmbacher Muschelkalkzuges, dem eine wichtige Funktion als überregionale Verbundachse für Arten der Trockenlebensräume entlang der Fränkischen Linie zukommt, existieren einige Komplexe aus Trockenlebensräumen hoher aktueller Lebensraumqualität z.B. entlang der Ködnitzer Weinleite, auch auf der Malm-Hochfläche der Kirchleuser Platte sind solche Gebiete beispielhaft zu nennen. Am Westabfall des Strengleinsbergs bei Kauerndorf findet sich ein Komplexlebensraum aus Halbtrockenrasen, extensiven Wiesen, Hecken und Hanglaubwäldern.

Durch die hohe Dichte an trockenwarmen Extremstandorten kommt der Nördlichen Frankenalb eine große Bedeutung für den Schutz der hierauf spezialisierten Flora und Fauna zu. Hierbei handelt es sich um artenreiche Gesellschaften mit z. T. endemischen Pflanzenarten, z.B. Fränkische Mehlbeere (Sorbus franconica). Die Trockenrasen und Felskuppen bilden als Extremstandorte wichtige Rückzugsräume für viele, z. T. arktisch-alpine Reliktarten. In ihren Kernbereichen zählen sie zur nachfolgend genannten Kategorie der Lebensräume sehr hoher Qualität, Teilräume mit etwas geringerer Biotopdichte wurden dagegen mit einer hohen Lebensraumqualität eingestuft.

Frische oder feuchte Talbereiche mit überwiegender Grünlandnutzung vor allem in den Tälern von Weißem oder Rotem Main sowie Ölschnitz, Wiesent und Aufseß fallen ebenso in diese Kategorie. Die Nutzung der hoch bewerteten Flächen ist nur in den seltensten Fällen intensiv.

Zu dieser Kategorie zählen auch einige größere Wälder der Region, die vereinzelt Vorkommen schützenswerter Arten aufweisen wie z.B. der Veldensteiner Forst, der Limmersdorfer Forst, große Teile des Rehauer Forstes.

Flächen mit einer überwiegend sehr hohen aktuellen Lebensraumqualität liegen vorrangig in den großräumig unzerschnittenen und daher störungsarmen Waldbereichen (Fichtelgebirge: Schneeberg, Rudolfstein, Platte, Kösseine, Großer Kornberg; Frankenwald: Geroldsgrüner Forst). Aus diesen Bereichen liegen Nachweise von stark gefährdeten Tierarten mit hoher Störungsempfindlichkeit und großflächigen Habitatansprüchen, wie z.B. Luchs, Auerwild und Schwarzstorch, vor.

Für die steil eingeschnittenen Täler der Frankenalb, des Frankenwaldes und des Fichtelgebirges mit ihren Laubhangwäldern (Lebensraum für wertgebende Specht- und Fledermausarten) aber auch den Magerrasenstandorten z.B. in der Frankenalb bei Wonsees, Oberailsfeld, Pottenstein oder Waischenfeld, sowie die Flussläufe Röslau und Eger wurden ebenfalls diese Einstufung ermittelt. Das Tal der Eger weist Aue-Lebensraumkomplexe aus verschiedenen Feuchtstandorten wie Gewässerbegleitgehölze, Bruchwälder, Großseggenriede, Feucht- und Nasswiesen sowie strukturreiche und mäandrierende Flussabschnitte auf (StMLU 1999). Zusammen mit den an den Talhängen verbliebenen Wäldern können sich auch über die Aue hinausgehende Lebensraumkomplexe ausbilden (z.B. Höllental StMLU 1994, Main­auwälder bei Steinenhausen StMLU 1997). Allen Fließgewässern kommt auf Grund ihrer linearen Erstreckung und trotz z. T. unterbrochener biologischer Durchgängigkeit eine hohe Vernetzungsfunktion für die aquatische Fauna zu. So stellen die Eger und (in geringerem Maße) die Röslau überregional wirksame Ausbreitungsachsen zwischen dem Egerer Tertiärbecken und dem nordbayerischen Raum dar (StMLU 1999).

Weiterhin zählt das nach Kaule (1974, zitiert in StMLU 1999) bundesweit bedeutsame Fichtelseemoor mit dem zugehörigen Talbereich zu dieser Bewertungsstufe. Auf der Selb-Wunsiedler Hochfläche treten kleinräumig Zwischen- und Hochmoorkomplexe auf, in denen die Standortbedingungen auf engstem Raum wechseln (z.B. Zeitelmoos, Häusellohe). Ferner haben die Moore und Bruchwälder im Rehauer Forst auf Grund ihrer ursprünglichen Natürlichkeit eine sehr hohe Bedeutung.

Die Serpentinitstandorte im Landkreis Hof zählen zu den großen naturkundlichen Besonderheiten in Bayern. So wurde die gem. ABSP (StMLU 1994) landesweit bedeutsame „Wojaleite“ als Standort sehr hoher Lebensraumqualität eingestuft.

Auch eine sehr hohe Biotopdichte mit hohem Vernetzungsgrad kann zu einer sehr hohen Einstufung der Lebensraumqualität führen. Dies trifft z.B. für die Bereiche um Wonsees, sowie für die Heckenlandschaften des Muschelkalkzuges im Obermainischen Hügelland wie dem „Bergfeld“ bei Stadtsteinach oder bei Lanzendorf zu.

Mit Punkten wurden Flächen kleiner 10 ha dargestellt, die in ihrer Wertigkeit über der umgebenden Bewertung liegen. Aus Übersichtsgründen wurde auf eine flächige Darstellung verzichtet.

Großräumig unzerschnittene Lebensräume

Die großräumige Ungestörtheit wurde in der Bewertung der aktuellen Lebensraufunktion im Rahmen dieses LEK besonders gewürdigt. Dies ist im Teil „Methodik“ detailliert beschrieben. Dort wird erläutert, dass dieser Faktor in die Bewertung der Wälder eingeflossen ist. Eine Bewertung des Offenlandes auf Grund der Größe von Gebieten, die nicht durch Straßen zerschnitten und damit gestört sind, erschien in diesem Planungsraum nicht sinnvoll, da hier keine wertgebenden und störungsempfindlichen Arten des Offenlandes mit großen Lebensraumansprüchen vorkommen (z.B. Wisent, Großtrappe u.ä. – von Birkhuhn oder Großem Brachvogel gibt es im Planungsraum nach 1990 nur jeweils zwei vernachlässigbare Einzelbeobachtungen). Täler, die bislang nur wenig oder gar nicht von Verkehrswegen durchschnitten werden wurden in der Zielkarte (Karte 4.4) als Biotopverbundachsen von besonderer oder hervorragender Bedeutung dargestellt. Damit soll der Wert der oft schmalen, aber als lineare Struktur noch zusammenhängenden Lebensräume wenig gestörter Täler durch entsprechende Zielsetzungen gewürdigt werden.

Unzerschnittene Wälder mit einer Mindestgröße von mehr als 100 km² (Forderung der IUCN 1995 für großflächige Waldschutzgebiete – Nationalparks) gibt es im Planungsraum nicht mehr (dabei wurden die tatsächlichen Größen zusammenhängender Waldflächen innerhalb der Region ermittelt unter Berücksichtigung der angrenzenden Wälder außerhalb der Region). Es gibt jedoch eine Reihe von Wäldern, deren Größe zwischen 40 und 71km² liegen und die durch Vorkommen einiger sehr störungsempfindlicher Tierarten wie Luchs, Auerhuhn oder Schwarzstorch europaweit eine sehr hohe Bedeutung aufweisen. Diese liegen im Hohen Fichtelgebirge (z.B. Tröstauer Forst, Martinlamitzer Forst), im Selber Forst und im Geroldsgrüner Forst.

Eine hohe Bedeutung wurde unzerschnittenen Waldflächen zwischen 35 km² und 70 km² zugewiesen. Die Größe dieser Wälder liegt entweder über 50 km², ohne dass wertgebende Artvorkommen auftreten oder zwischen 35 km² und 50 km², wobei in diesen Fällen durch die Artenausstattung eine hohe Wertstufe begründet ist. Diese Flächen liegen im Veldensteiner Forst, im Limmersdorfer Forst, im Fichtelberger Forst, im Goldkronacher Forst, im südlichen Frankenwald, im Steinwald und im Weißenstädter Forst.

Entwicklungspotenzial für seltene und gefährdete Lebensräume

Für Anhaltspunkte, in welchen Bereichen der Region Biotopverbundstrategien sinnvoll wären, wurde das Entwicklungspotenzial für seltene und gefährdete Lebensräume ermittelt:

Bayernweit äußerst seltene bzw. einzigartige Standortkombinationen mit einem sehr hohen Entwicklungspotenzial für seltene und gefährdete Lebensräume haben im Untersuchungsgebiet z.B. die Moore des Fichtelgebirges, der Selb-Wunsiedler Hochfläche, die Niedermoorlagen und Feuchtniederungen einiger Talräume der Münchberger Hochfläche (z.B.: bei Hohenberg im Lkr. Kulmbach) sowie des Rehauer Forsts, die weite Talaue des Mains bei Kulmbach, die Trockenhänge der Frankenalb bei Pottenstein, Waischenfeld oder Oberailsfeld (Standorte der Dolomitkiefernwälder), die Standorte der Schneeheide-Kiefernwälder der Selb-Wunsiedler Hochfläche oder die Serpentinstandorte der Münchberger Hochfläche.

Ein bayernweit hohes Entwicklungspotenzial ist z.B. in den Hochlagen des Fichtelgebirges, den Wäldern südöstlich von Marktredwitz, einigen Täler der Mittelgebirgslagen und den größeren Auenbereichen des Obermainischen Hügellandes zuzuweisen.

Ein zumindest mittleres Entwicklungspotenzial haben Standorte in den nordwestlichen Mittelgebirgslagen sowie einige Bereiche mit durchschnittlichen, eher häufigen Standorteigenschaften, aber einer deutlichen Häufung aktuell wertvoller Lebensräume. Dies sind z.B. die Heckenlandschaften der Albhochfläche und der Muschelkalkstufen.

 


 

Vorige SeiteSeitenanfangNächste Seite