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11.2 Forstwirtschaft
Gemäß den Zielen des Landesentwicklungsprogramms (LEP Entwurf 2002) sollen
die Nutz-, Schutz- und Sozialfunktionen des Waldes für die nachhaltige
Versorgung mit dem umweltfreundlichen Rohstoff Holz, den Schutz vor Naturgefahren,
den Boden-, Klima-, Wasser- und Immissionsschutz, für Erholung und Naturerleben
und als Lebensraum für die heimische Tier- und Pflanzenwelt in ihrer Gesamtheit
und ihrer jeweiligen Gewichtung auf Dauer erhalten und möglichst gestärkt
werden (LEP Entwurf 2002: B IV ,4.1). Zur nachhaltigen Nutzung
des Waldes sind in der Region Oberfranken-Ost grundsätzlich, d. h.
in allen Funktionsräumen, folgende Hinweise einer naturgemäßen
Waldbewirtschaftung zu beachten:
- Der Wald soll in seiner Flächensubstanz möglichst
erhalten werden. Insbesondere in siedlungsnahen Bereichen, in landwirtschaftlich
intensiv genutzten oder in waldarmen Gebieten sowie in Gebieten, in
denen er aus strukturellen oder landeskulturellen Gründen besonders
erwünscht ist, soll die Waldfläche möglichst vermehrt werden. Auwälder
sollen auf geeigneten Standorten wieder begründet werden. Große zusammenhängende
Waldgebiete wie z.B. das Fichtelgebirge sollen als Großnaturräume vor
Zerschneidungen und Flächenverlusten am Rand bewahrt werden (LEP Entwurf
2002: B IV , 4.2).
- Die Wälder sind standortgemäß, gesund, leistungsfähig
und stabil zu erhalten bzw. zu entwickeln (Waldgesetz für Bayern, III Art. 18 1).
- Die biologische Vielfalt der Wälder soll erhalten
und nachhaltig genutzt werden. Durch eine standortgemäße naturnahe Bewirtschaftung
sowie natürliche Weiterentwicklung sollen Zustand und Stabilität der
Wälder erhalten oder verbessert sowie die Anpassungsfähigkeit an veränderte
Umweltbedingungen und gesellschaftliche Anforderungen gewährleistet
werden. Insbesondere Auwälder, Bergwälder, Schutzwälder sowie Wälder
auf Sonderstandorten sollen in einem naturnahen Zustand erhalten oder
dahin zurückgeführt werden. Waldränder sollen gestuft, artenreich und
stabil gestaltet werden. Die natürliche Dynamik des Werdens, Wachsens
und Vergehens soll in angemessenem Umfang in die Bewirtschaftung integriert
werden (LEP Entwurf 2002: B IV 4.3).
- Der Waldboden soll wegen seiner ökonomischen,
ökologischen und landeskulturellen Bedeutung geschont und erhalten werden
(LEP Entwurf 2002: B IV 4.3). Hierzu soll insbesondere in
versauerungsgefährdeten Bereichen die Entwicklung standortgemäßer Laubmischwälder
gefördert werden, deren Laubstreu leichter zu zersetzen ist und die
eine positivere Wirkung auf die Bodenfunktionen haben als Nadelwälder.
Die angewandte Forsttechnik soll Waldböden und Struktur des Waldbestandes
schonen.
- Die natürlichen Standortunterschiede sind
zu erhalten und vor Nivellierung z.B. durch Entwässerungsmaßnahmen zu
schützen.
- Der Wald soll zur Verbesserung der Bewirtschaftung
und der Pflege mit Forstwirtschaftswegen stets nur bedarfsgerecht und
naturschonend sowie unter Berücksichtigung der Belange der Erholung
erschlossen werden (LEP Entwurf 2002: B IV 4.5).
- Bei allen Maßnahmen sind die Belange des Naturschutzes,
der Landschaftspflege und der Wasserwirtschaft zu berücksichtigen.
- Sofern einzelne Schutzfunktionen des Waldes
wie Wasser-, Boden-, Klima-, Sicht-, Immissions-, Lärm-, und Biotopschutz
sowie Landschaftspflegewald oder Straßenschutzwald örtlich herausgehoben
sind, so sind diese besonders zu entwickeln. Schutzfunktionen dürfen
durch die Erholungsfunktion nicht gefährdet werden.
- Die Entwicklung des Waldökosystems darf durch
überhöhte Wildbestände nicht gefährdet werden. Sie sind als Teil des
Waldökosystems zu hegen und dabei durch jagdliche Maßnahmen so zu regulieren,
dass sie die Waldverjüngung und Waldgesundheit nicht beeinträchtigen
(vgl. auch LEP Entwurf 2002: B IV 4.7).
- Bei drohenden Schäden am Wald sollen chemische
Pflanzenschutzmittel nur als letztes Mittel eingesetzt werden, sofern
biotechnische Maßnahmen (Borkenkäferfallen u. ä.) nicht zum Erfolg
führen.
Eine Vermehrung des Waldes kann auf geeigneten Standorten
in Abstimmung mit den Belangen des Naturschutzes und Landschaftspflege
betrieben werden. Dies ist vor allem in Biotopverbundachsen für Waldlebensräume,
in siedlungsnahen und relativ waldarmen Bereichen wie insbesondere im
Umfeld von Hof sowie in Auen wünschenswert, soweit hier keine Belange
des Arten- und Biotopschutzes oder besondere klimatische Ausgleichsfunktionen
entgegenstehen. Insgesamt besteht in der Region Oberfranken-Ost bei einem
überdurchschnittlichen Waldanteil von 39,6 % jedoch kein besonderer
Bedarf für die Ausweitung von Waldbeständen.
Auf Standorten, die wertvolle Offenlandlebensräume darstellen
oder die das Landschaftsbild bereichern sollen weitere Aufforstungen vermieden
werden. Dies betrifft insbesondere folgende Gebiete:
- Die großen und kleinen grünlandgeprägten Rodungsinseln
im Frankenwald und im Fichtelgebirge wie z.B. die Rodungsinseln um Bad
Steben, Naila/Selbitz und Schwarzenbach a. Wal sowie um Bischofsgrün,
Brand oder Nagel.
- Die wertvollen Wiesentäler im Frankenwald,
im Fichtelgebirge und auf der Fränkischen Alb.
- Die mageren Grenzertragsstandorte der Fränkischen
Alb, wie z.B. im Wiesenttal, auf der Pegnitzalb und auf der Betzensteiner
Kuppenalb.
- Auenbereiche mit wichtigen klimatisch-lufthygienischen
Ausgleichsfunktionen, wie z.B. an der Sächsischen Saale.
- Feuchte Niederungsstandorte und Moore des
Hohen Fichtelgebirges sowie andere Sonderstandorte wie Blockschutthalden
oder Serpentinstandorte.
In Gebieten, in denen die forstliche Landnutzung vorherrschende Leistungen
für den Naturhaushalt und das Landschaftsbild erbringt, soll eine
naturgemäße Waldbewirtschaftung unter besonderer Berücksichtigung
der Anforderungen des Naturschutzes und der Landschaftspflege entsprechend
der folgenden Grundsätze realisiert werden:
- Zur Erhaltung und Förderung der Artenvielfalt
sowie aus Gründen des Boden- und Grundwasserschutzes sind Nadelforste
in Anpassung an die natürlichen Standortgegebenheiten, d. h. mit
Ausnahme der Hochlagen des Fichtelgebirges, mit besonderer Priorität
zu naturnahen Laubmischwaldgesellschaften zu entwickeln. Insbesondere
in Bachtälern sollen Fichtenforste zu standortgerechten Waldgesellschaften
feuchter Standorte umgewandelt werden.
- Seltene und im Bestand bedrohte Baumarten sind gezielt
zu fördern, um ihr genetisches Potenzial zu erhalten. Dies gilt auch
für sogenannte „Lokalrassen“ wie die „Selber Höhenkiefer“, die nur in
bestimmten Wuchsgebieten vorkommen und genetisch besonders gut an die
dortigen Verhältnisse angepasst sind. Weitere seltene und bedrohte Pflanzenarten
oder Tiere sind zu erhalten und zu fördern. Sonderbiotope im Wald sollen
erhalten und entwickelt werden.
- Kahlschläge sind zu vermeiden. Stattdessen sind
die Baumstämme mit Erreichen der Zielstärke einzelstamm- oder gruppenweise
zu nutzen. Ein Umbau der Waldbestände ist durch Pflanzungen unter dem
Schirm des alten Waldes vorzunehmen. Ist die gewünschte naturnahe Artenausstattung
bereits erreicht, kann eine Naturverjüngung stattfinden.
- Bei der Nutzung des Waldes ist ein erhöhter Anteil
alter Bäume einzeln oder in Gruppen zu erhalten, damit sie in der Alterungs-
und Zerfallsphase Lebensraum für daran angepasste Tiere und Pflanzen
bieten. Das Waldgefüge soll durch femel- und plenterartige Aufbauformen
eine dem Standort und den Baumarten angepasste vertikale Gliederung
der Bestände erreichen und dadurch vermehrt ökologische Nischen anbieten.
Gestufte Waldränder aus Kraut-, Strauch und Baumarten sind zu erhalten
und zu entwickeln.
- Relikte historischer Nutzungsformen im Wald wie
Hudewälder, Nieder- und Mittelwälder sind als Elemente der historischen
Kulturlandschaft zu erhalten.
- Forstliche Wirtschaftswege sollen durch Zuwachsenlassen
im Rahmen der natürlichen Sukzession auf ein Mindestmaß reduziert und
Neubaumaßnahmen vermieden werden.
In Gebieten mit langfristig natürlicher/naturnaher Entwicklung soll
die forstliche Nutzung nach Möglichkeit ganz unterbleiben und die natürliche
Dynamik des Werdens, Wachsens und Vergehens zulassen, bzw. sich primär
an den Anforderungen des Naturschutzes und der Landschaftspflege orientieren.
In diesen Bereichen genießen die Belange des Naturschutzes Priorität gegenüber
ökonomischen Zielen der Forstwirtschaft, so dass sich Arten und Lebensgemeinschaften
ungestört entwickeln können und die natürlichen Selbstregulierungsprozesse
der Ökosysteme wirksam bleiben. Über
die bereits o. g. Anforderungen hinaus stehen hier insbesondere folgende
Grundsätze im Vordergrund:
- Ausweisung großflächiger Naturwaldreservate, deren Flächenumgriff
eine natürliche Walddynamik ermöglicht und störende Randeinflüsse ausreichen
abschirmt.
- Naturgemäße Bewirtschaftung des Waldes auf Grundlage konkreter Pflege-
und Entwicklungspläne des Naturschutzes zur Förderung gefährdeter Arten
der Waldlebensräume. Zur Förderung der Auerhuhnbestände im Fichtelgebirge
kann dies u. a. bedeuten:
- Erhöhung des Erntealters in Richtung auf
200 Jahre, dadurch Erhalt der Altholzreste.
- Schaffen von Korridoren und Trittsteinhabitaten
in Dickungen und Stangenhölzern (Jung- und Altdurchforstung) mit Hilfe
von Rückegassen und Femellöchern, vor allem zwischen genutzten Auerhuhnhabitaten.
- Zurücknahme der Waldbestockung im Bereich
von Blockschutthalden und Felsbildungen.
- Freistellen von Moorrändern, dort Erhalt
von Kiefern, Spirken und Latschen.
- Renaturierung aller Hoch- und Niedermoore
durch Schließen und Verfüllen von Drainagegräben und Erosionsrinnen.
- Freistellen von mit standortsfremden Baumarten
(insbesondere Fichte) bestockten Gewässerrändern (Quellen, Waldbäche)
auf Uferbreiten bis ca. 30 m beiderseits, abschnittsweise auf
200 bis 500 m Länge in Zeiträumen bis zu zehn Jahren, anschließend
gegebenenfalls partielles Einbringen von Erlen, Weiden und Eschen.
- Anlage neuer Balzplätze an ehemals so genutzten
Standorten auf Kuppen, Bergrücken, Hangverebnungen im Rahmen forstlich
sowieso geplanter Femelhiebe, dort Erhalt tiefbeasteter Bäume und
stehenden Totholzes, Flächengröße 2 bis 5 Ar, bei aufkommender
Verjüngung diese auf wenige Rotten und Gruppen zurückdrängen oder
angrenzend neue Femelhiebe nach zehn bis zwanzig Jahren anlegen, vorhandene
Balzplätze pflegen (Sicht- und Fluchträume hangabwärts offen halten).
- Fördern der Vaccinium-Arten, vor allem der
Heidel- und Preiselbeere, durch kräftiges Auflichten von Pflegebeständen
auf felsigen und trockeneren Standorten.
- Zur Erhaltung der mageren Standorte sollen
eventuelle Schnittreste (Wipfel und Äste) nur auf den Rückegassen
belassen werden (vgl. auch Spitznagel,
A. 2002).
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